Die Deklaration von Helsinki: Grundsätze der medizinischen Forschungsethik

Die Deklaration von Helsinki ist eine bedeutende Sammlung ethischer Grundsätze für die medizinische Forschung, die 1964 vom Weltärztebund (World Medical Association, WMA) ins Leben gerufen wurde. Sie dient als Leitfaden für Forschende weltweit, wenn es um die Einhaltung ethischer Standards in klinischen Studien mit menschlichen Teilnehmenden geht. Die ursprüngliche Motivation für das Dokument war die Notwendigkeit, ethische Standards für die medizinische Forschung zu setzen, um die Würde und Rechte der Patienten zu wahren, insbesondere nach den ethisch verwerflichen Menschenversuchen im Zweiten Weltkrieg.

Seit ihrer ersten Verabschiedung hat die Deklaration von Helsinki zahlreiche Aktualisierungen erfahren, um neue medizinische und wissenschaftliche Entwicklungen zu berücksichtigen. Die neueste Revision, verabschiedet auf der 75. Generalversammlung des Weltärztebundes (WMA) im Oktober 2024 in Helsinki, spiegelt aktuelle ethische und rechtliche Anforderungen wider und ist für klinische Studien in Deutschland sowie weltweit von entscheidender Bedeutung.

In unseren GCP-Kursen erklären wir Ihnen die ethischen Grundlagen und beziehen uns dabei neben der Deklaration von Helsinki auch auf die GCP-Richtlinien.

Warum gibt es die Deklaration von Helsinki

Als Reaktion auf den Nürnberger Ärzteprozess wurde 1947 der Nürnberger Kodex entwickelt, der nach dem Zweiten Weltkrieg die Grundlage für die Durchführung von ethisch vertretbaren medizinischen Versuchen mit Menschen darstellt.

Der WMA sah die Notwendigkeit, diese medizinethischen Grundsätze weiterzuentwickeln und auf die globale, moderne Forschung auszuweiten. Somit wurde 1964 erstmals die Deklaration von Helsinki auf der 18. Generalversammlung des Weltärztebundes (WMA) in Helsinki, Finnland, verabschiedet und seither zehnmal überarbeitet.

Zu den wichtigsten Überarbeitungen gehören die Einführungen zu Risiko-Nutzen-Abwägungen, dem informierten Einverständnis (informed consent) und speziellen Schutzvorkehrungen für vulnerable Gruppen, wie Kinder, ältere Menschen und Personen, die möglicherweise aufgrund von Erkrankungen eingeschränkte Entscheidungsfähigkeit haben.

Die Inhalte der neuesten Fassung der Deklaration von Helsinki (2024)

Die neueste Fassung von 2024 modifizierte den Schutz von vulnerablen Gruppen bei klinischen Studien. Nachgeschärft wurde aufgrund des Aspekts, dass vulnerable Personen meist nicht in klinische Studien einbezogen werden, um sie besonders zu schützen. Dabei zeigte sich allerdings, dass Nichteinwilligungsfähige da­durch erst viel später Zugang zu therapeutischen Innovationen erhielten. Zukünftig soll mehr medizinische Forschung mit vulnerablen Patienten erfolgen dürfen; jedoch immer unter besonderer Vorsicht seitens der Ärzte und der Ethikkommission.

Weitere Änderungen gegenüber der Fassung von 2013 sind:

  • Stärkere Einbindung von Patienten bzw. Patientenorganisationen zu allen Zeitpunkten der medizinischen Forschung
  • Elektronische Einwilligung (e-consent) ist möglich
  • Berücksichtigung der Deklaration von Taipeh bei Daten- und Probensammlungen für Register bzw. Biobanken
  • Neufassung des letzten Punktes zu den Heilversuchen

Zudem betont der Weltärztebund in der neuen Version nochmals die Wichtigkeit von unabhängigen Ethikkom­missionen.
Die Deklaration von Helsinki besteht aus 37 Paragrafen, die grundlegende ethische Prinzipien, wie die Unversehrtheit des menschlichen Körpers, die Beachtung der Privatsphäre und die Wahrung der Menschenrechte, beinhalten.

Die wichtigsten Prinzipien der Deklaration sind:

1. Recht auf Schutz und Würde des Menschen

Der Mensch steht im Mittelpunkt der medizinischen Forschung. Die Deklaration von Helsinki stellt sicher, dass die Rechte, das Wohlbefinden und die Gesundheit der Teilnehmenden an medizinischen Studien oberste Priorität haben.

2. Wissenschaftliche Standards und Qualifikation der Studiendurchführenden

Studien müssen sorgfältig geplant und auf eine solide wissenschaftliche Grundlage gestellt sein. Nur qualifizierte Forschende sollen klinische Studien durchführen dürfen, und alle Maßnahmen müssen transparent und nachvollziehbar sein.

3. Informiertes Einverständnis

Teilnehmer müssen umfassend aufgeklärt werden und auf freiwilliger Basis ihr Einverständnis geben. Besonders vulnerable Personengruppen bedürfen eines zusätzlichen Schutzes und der Aufklärung durch besonders qualifizierte Ärztinnen und Ärzte.

4. Risikominimierung und Verhältnismäßigkeit

Die Forschenden müssen gemäß der Deklaration von Helsinki sicherstellen, dass die Risiken für die Studienteilnehmenden minimiert werden. Dabei gilt es, eine Risiko-Nutzen-Abwägung durchzuführen und Studien abzubrechen, wenn Risiko und Belastung den Nutzen für die Teilnehmenden überwiegen.

5. Veröffentlichung von Forschungsergebnissen

Alle Forschungsergebnisse, auch negative, müssen veröffentlicht werden, um eine vollständige Transparenz zu gewährleisten, auch die Finanzierungsquellen und Interessenkonflikte müssen in der Veröffentlichung offengelegt werden.

6. Besonderer Schutz für benachteiligte und vulnerable Gruppen

Die Deklaration weist darauf hin, dass vulnerable Gruppen, wie Kinder, ältere Menschen und kognitiv eingeschränkte Personen, besonders geschützt werden müssen. Diese Personen dürfen nur dann in eine Studie eingeschlossen werden, wenn für sie sehr wahrscheinlich ein persönlicher Nutzen bzw. nur ein minimales Risiko erwartet wird.

Sie wollen mehr über die Deklaration von Helsinki erfahren? In unseren Prüfarztkursen und unseren Study-Nurse-Kursen informieren wir über die ethischen und regulatorischen Grundlagen bei der Durchführung klinischer Studien.

Bedeutung der Deklaration von Helsinki für klinische Studien in Deutschland

In Deutschland hat die Deklaration von Helsinki neben den GCP-Richtlinien einen zentralen Stellenwert für die Planung und Durchführung klinischer Studien. Sie dient als ethische Grundlage und ergänzt nationale Gesetze wie z. B. das Arzneimittelgesetz (AMG) und das Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG), die rechtliche Vorgaben zur Durchführung von Arzneimittel- und Medizinprodukte-Studien festlegen. Auch in der Berufsordnung für Ärzte findet sich die Deklaration von Helsinki wieder.

Institutionen wie die Ethikkommissionen orientieren sich an den Prinzipien der Deklaration von Helsinki bei der Genehmigung und Kontrolle von klinischen Studien in der Humanmedizin.

Zentrales Element ist die umfassende Aufklärung der Studienteilnehmenden. Durch das informierte Einverständnis wird das Selbstbestimmungsrecht der Studienteilnehmenden sichergestellt und eine transparente Entscheidungsgrundlage dokumentiert.

 

Aktuelle Herausforderungen und Ausblick

Während die Deklaration von Helsinki eine umfassende Basis für die medizinische Ethik bietet, gibt es in Deutschland und weltweit Herausforderungen bei der Anwendung und Durchsetzung der Prinzipien.
Besonders die zunehmende Digitalisierung in der Medizin, beispielsweise durch elektronische Gesundheitsakten und elektronischen Datenbanken, sowie die steigende Komplexität moderner klinischer Studien führen zu neuen ethischen Fragestellungen, die sicherlich in künftigen Revisionen der Deklaration Berücksichtigung finden werden.

Die Deklaration von Helsinki bleibt ein Leitfaden für die ethische Durchführung medizinischer Forschung und ist unverzichtbar, um die Rechte und die Würde der Teilnehmenden an klinischen Studien zu schützen. Ihre Inhalte prägen die Rechtsvorschriften und ethischen Standards in Deutschland maßgeblich und bilden die Basis für die Entscheidungsprozesse von Ethikkommissionen und Aufsichtsbehörden.

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Im Rahmen der Deklaration von Helsinki sind die ethischen Grundsätze für die medizinische Forschung festgelegt, welche den Schutz der Teilnehmenden sicherstellen. Um diese Prinzipien in der Praxis umzusetzen, sind fundierte Kenntnisse der Good Clinical Practice unerlässlich. GCP & more bietet praxisnahe Kurse, die gezielt auf die Anforderungen in der klinischen Forschung eingehen. Bei uns erhalten Sie umfassendes Wissen, das Sie direkt in Ihrem beruflichen Alltag anwenden können. Haben Sie Fragen zur Deklaration von Helsinki und zur Durchführung Ihrer klinischen Studie? Gerne unterstützen wir Sie im Rahmen unserer GCP-Beratung.

Link zur Veröffentlichung auf der Seite der World Medical Association