Formale Aspekte und Vorgehensweisen

Die GCP-konforme Aufklärung und Einwilligung (Informed Consent) der Studienteilnehmer ist immer wieder ein Punkt bei der Durchführung klinischer Prüfungen, welcher zu gravierenden Findings beim klinischen Monitoring, bei Audits und Inspektionen führt. Leider hat sich das im Laufe der Jahre nicht verändert. Es sind immer wieder die gleichen Fehler, die dabei auftreten und dann bei der Überprüfung durch Sponsoren und Behörden reklamiert werden.
Häufige ICF-Findings
ICF = Informed Consent Form (Patienteninformation, Einwilligungserklärung)

Fehlerhafter Prozess bei ICF-Amendments
- Bei einem geänderten ICF (ICF-Amendment, neue ICF-Version) werden die noch behandelten Studienteilnehmer nicht zeitnah über diese Änderungen aufgeklärt.
- Zeitraum und Vorgehen wird vom Sponsor nicht vorgegeben bzw. nicht eingehalten.
- Veraltete Version wird bei neuen Studienteilnehmern zur Erstaufklärung benutzt obwohl, es eine neue ICF-Version gibt.
- Aufklärende Person ist nicht auf die neue ICF-Version geschult bzw. dies ist nicht dokumentiert.
- Alte, unterschriebene ICF werden weggeworfen.
Studienbezogene Handlungen ohne Einwilligung
- Blutproben werden entnommen bzw. eine Diagnostik wird durchgeführt, um Ein-/Ausschlusskriterien zu überprüfen. Obwohl das bereits eine Studienhandlung darstellen kann, werden die Studienteilnehmer erst bei einem, für die Studienteilnahme, passenden Ergebnis danach aufgeklärt.
- Es wird eine vom Studienzentrum erstellte „Patienteninformation“ für diese Diagnostik verwendet und die Einwilligung der Patienten damit eingeholt. Dabei handelt es sich jedoch nicht um das von der Ethikkommission bewertete ICF.
- Einwilligungsdaten werden bei positiver Diagnostik zurückdatiert. Dieses eingesetzte Datum ist jedoch nicht aus den Aufzeichnungen nachvollziehbar und daher leicht als Falscheintragung erkennbar.
Unzureichende Dokumentation bezüglich Informed Consent Prozess
- Aufklärende Personen sind nicht bzw. unzureichend geschult. Keine Schulungsdokumentation vorhanden.
- Aufklärende Personen sind nicht autorisiert. Keine Dokumentation der Delegation vorhanden.
- Aufklärung und Einwilligung ist nicht in der Patientenakte dokumentiert.
- Kein Nachweis vorhanden, dass das Informed Consent Form von der Ethikkommission positiv bewertet wurde.
Formale Fehler auf ICF
- Unterschriften fehlen
- Datumsangaben fehlen
- Kein eigenhändiges Eintragen durch Studienteilnehmer. Stattdessen Aufkleber, Datumstempel, Eintragungen durch Studienpersonal. Hausarztname fehlt.
- Es ist nicht nachvollziehbar, ob die Studienteilnehmer tatsächlich die Einwilligungserklärung durchgelesen haben.
Grundsätzlich sollte allen Beteiligten immer bewusst sein, dass schwerwiegende Fehler im Informed Consent Prozess ein Straftatbestand nach AMG bzw. MPDG darstellen. Daher sollte das Prüfteam intensiv darauf geschult sein. Idealerweise wird diese Schulung (z. B. durch die klinischen Monitore, CRA) bei der Initiierungsvisite durchgeführt und dokumentiert.
Gelegentlich hören wir bezüglich der vorgenannten Punkte von Prüfteams, dass diese nur Wünsche der klinischen Monitore (CRA) darstellen und von den Regularien nicht gefordert werden würden. Das stimmt nicht.
Anforderungen und Vorgaben

Schauen wir uns deshalb die Bestimmungen im Einzelnen an.
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Wir unterscheiden nach den Anforderungen:
- aus Gesetzen und Verordnungen (AMG, MPDG, CTR, MDR, IVDR)
- nach GCP (ICH E6, ISO 14155, ISO 20916)
- gemäß den Vorgaben des Sponsors (z. B. Studienprotokoll, SOP)
Anforderungen aus Gesetzen und Verordnungen
Nach CTR (Art. 28, 29), MDR (Art. 62, 63) bzw. IVDR (Art. 58, 59)
- Prüfungsteilnehmer sind zuvor umfassend aufgeklärt worden.
- Die Aufklärung muss die Prüfungsteilnehmer in die Lage versetzen, u. a. die Ziele, Folgen und Risiken zu verstehen, um eine Entscheidung zur Teilnahme treffen zu können.
- Die Informationen müssen in einem Gespräch durch eine qualifizierte Person laienverständlich vermittelt werden.
- Es ist sichergestellt, dass die Prüfungsteilnehmer die Informationen verstanden haben.
- Die Information muss auch in schriftlicher Form (Patienteninformation) zur Verfügung gestellt werden.
- Prüfungsteilnehmer haben schriftlich eine Einwilligung nach Aufklärung erteilt. Diese wird von den Prüfungsteilnehmern sowie den aufklärenden Personen datiert und unterzeichnet.
- Die Einwilligung nach Aufklärung ist zu dokumentieren.
Zusätzlich nach: AMG (§ 40b) bzw. MPDG (§ 28)
- AMG: Aufklärung erfolgt durch Prüfer, der Arzt ist bzw. durch ein ärztliches Mitglied des Prüfteams (Prüfarzt).
- MPDG: Aufklärung erfolgt durch Prüfer, der Arzt ist.
- Prüfungsteilnehmer müssen in die Einsichtnahme sowie die Datenverarbeitung der erhobenen personenbezogenen Daten einwilligen.
- Die Einwilligung kann auch elektronisch erfolgen.
Zusammengefasst kann man sagen, dass gemäß den Regularien ein umfassendes Aufklärungsgespräch durch qualifizierte Prüfer bzw. Prüfärzte durchgeführt werden muss bevor eine datierte, schriftliche Einwilligung erteilt wird. Es muss sichergestellt werden, dass die Prüfungsteilnehmer die Informationen verstanden haben, und der gesamte Ablauf muss durch eine geeignete Dokumentation nachgewiesen werden.
Zusätzliche Anforderungen nach ICH E6 (R3), ISO 14155 bzw. ISO 20916
- Informed Consent Form (ICF) muss ein Ethikvotum haben.
- Verschiedene Medien (z. B. Text, Bilder, Videos) können verwendet werden.
- Einwilligung kann remote eingeholt werden.
- Identität der Prüfungsteilnehmer muss sichergestellt sein.
- Vor der Studienteilnahme müssen die Prüfungsteilnehmer die Einwilligung auf dem ICF datieren und unterzeichnen.
- Die aufklärenden Personen müssen dafür vom Principal Investigator (PI) autorisiert sein.
- Die aufklärenden Personen bestätigen, dass die Prüfungsteilnehmer umfassend aufgeklärt wurden und die Teilnahme freiwillig erfolgt. Dies ist auf dem ICF zu datieren und zu unterzeichnen.
- Die Unterschriften können auch digital erfolgen.
- Eine Kopie des unterzeichneten ICF ist den Prüfungsteilnehmern auszuhändigen.
- Falls erforderlich, müssen die Prüfungsteilnehmer während der Studie über neue Informationen (ICF-Amendment) informiert werden und erneut einwilligen. Das soll zeitnah geschehen. Das ICF-Amendment benötigt ebenfalls ein Ethikvotum.
- Aufklärung und Einwilligung soll mit Hilfe eines geeigneten Prozesses durchgeführt werden.
GCP gibt Hinweise zu weiteren Anforderungen, wie z. B. das Ethikvotum, die Autorisierung sowie zum Ablauf. Es soll ein geeigneter Prozess vorhanden sein, um Fehler zu vermeiden.

Weitere Anforderungen gemäß Vorgaben des Sponsors
Da die Regularien sowie GCP nur die vielen Möglichkeiten (z. B. remote Aufklärung, digitale Einwilligung, keine konkreten Zeiträume z. B. bei ICF-Amendments, Dokumentation) sowie das Ergebnis (schriftliche Einwilligung nach Aufklärung) beschreiben, sollte die konkrete Umsetzung in der jeweiligen klinischen Prüfung konkret durch den Sponsor vorgegeben werden.
Das geschieht idealerweise durch das Studienprotokoll und eventuell durch weitere Dokumente, z.B. „Hinweise zur Patientenaufklärung“. Sind diese jedoch nur allgemein bzw. nicht vorhanden, kann es tatsächlich vorkommen, dass die klinischen Monitore eigene Wünsche äußern.
In der Regel gründen sich diese auf eine langjährige Erfahrung mit Audits und Inspektionen. In den meisten Fällen stellen sie eine Hilfe für das Prüfzentrum dar, um bei Audits und Inspektionen unangenehme Fragen zu vermeiden. Natürlich sollten diese Wünsche von den Monitoren erläutert und begründet werden können.
Fazit
Gerade nach der neuen ICH E6 (R3) sollten alle Studienprozesse anhand der Dokumentation nachvollziehbar (traceable) sein. Der Aufklärungs- und Einwilligungsprozess gehört zu den wichtigsten Abläufen bei klinischen Prüfungen und soll durch eine geeignete Dokumentation umfassend beschrieben werden.
Je genauer dieser Prozess anhand der Regularien und Sponsorvorgaben durchgeführt wird und nachzuvollziehen ist, desto weniger Fragen oder gar Findings wird es geben.
Die Verantwortung dafür liegt bei den Hauptprüfern (Principal Investigator).
Lassen Sie sich hierbei, z. B. durch die CRA oder die QM-Abteilung unterstützen. Ein fehlerfreier Informed Consent Prozess ist ein guter Indikator für eine verantwortungsvolle Studiendurchführung am Prüfzentrum und ein Pluspunkt bei Audits und Inspektionen.
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